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Wo Geschichte zur Verpflichtung wird

Wissen, wofür unsere Schule auch noch steht

Unsere schön restaurierte Villa ist das Herz des Campus Erbenheim. Ein Herz mit einem ganz eigenen Schicksal: Denn das, was mit Ihrem Erbauer in den dunkelsten Jahren deutscher Geschichte geschah, zeigt uns allen, warum es so wichtig ist, für Toleranz und Weltoffenheit einzustehen.

Im Zentrum des Campus Erbenheim steht eine alte Villa. Hier sind die Treppen eng und winkelig, die Räume klein. Das Parkett knarrt unter den Füßen, und die Fenster zeigen Rundbögen und mancherlei Verzierungen, die wir heute kaum noch kennen. . Ja, unsere Villa ist fast neunzig Jahre alt. Das Haus versetzt den Besucher in eine andere Zeit.

Es ist am Anfang eine Zeit, die zunächst von Wohlstand zeugt. Unsere „Villa“ wurde von einem jüdischen Arzt gebaut. 1926 gründete er die „Pharmazeutische Fabrik Dr. Katzenstein KG“ in Erbenheim, in der unter anderem die „Risinetten“ hergestellt wurden. Das war ein damals durchaus beliebtes Mittel gegen Husten und Halsschmerzen. Die Blechdosen, in denen sie verkauft wurden, sind noch heute auf Flohmärkten zu erwerben.

Ein Haus symbolisiert die deutsche Geschichte

Katzenstein war ein feinsinniger Mensch und ein Vorzeigevertreter des deutschen Bildungs-Bürgertums: Er baute eine Kunstsammlung auf, die Gemälde, antike Möbel und Meißner Porzellan umfasste und betätigte sich auch selbst als Autor: So verfasste er unter anderem zwei Bücher über Wiesbaden.

Dr. Katzenstein ging es nach der Machtergreifung der Nazis wie vielen deutschen Mitbürgern jüdischen Glaubens: Zug um Zug wurden sie von der brutalen Rassenpolitik des braunen Mobs entrechtet, benachteiligt, verfolgt. Sein Unternehmen musste Dr. Katzenstein am 31. Dezember 1938 zwangsweise „arisieren“ – eine gefährlich harmlose Umschreibung für die brutale Enteignung durch die Nazi-Machthaber.

Und es kam alles noch schlimmer: Im Januar 1942 wurde Leo Katzenstein in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert und im August desselben Jahres dort ermordet. Seit 2009 erinnern zwei Stolpersteine vor der Wilhelmstraße 42 an die Katzensteins. Hier befand sich der letzte Wiesbadener Wohnsitz des Ehepaares.

Erweckt aus dem Dornröschenschlaf

Nach einer wechselhaften Geschichte, in der Dr. Katzenstein und seine Frau Dorothea so gut wie vergessen wurden, stand die alte Villa, die jahrelang von der Deutschen Telekom genutzt worden war, leer.

2004 kaufte die Obermayr Europa-Schule das Gebäude, denn die Räume in der Bierstadter Straße in der Wiesbadener Innenstadt reichten nicht mehr aus. Sie waren zu klein und zu eng geworden.

Am 1.8. 2004 zog das berufliche Gymnasium in die neuen Räume, zu einem Zeitpunkt, als die Gebäude noch gar nicht vollständig renoviert waren. Der Um- und Ausbau entwickelte sich dann schrittweise in den nächsten Jahren. Angefangen wurde mit der Restaurierung des Bestandsgebäudes und der Villa. 2006 zogen die Klassen der Sekundarstufe I von Gymnasium und Realschule auf das neue Schulgrundstück des Campus Erbenheim. Es folgte der Anbau der Oberstufe, der Mensa und des Musik- bzw. Kunstraums, der Bau der Sporthalle und des Kunstrasenplatzes.

Pädagogik auf der Baustelle

Die ersten Monate waren für die Lehrkräfte mit Ihren Schülerinnen und Schülern nicht immer leicht. Handwerker gaben sich tagsüber die Klinke in die Hand, Unterrichtsräume und Lehrerzimmer wechselten je nach Baufortschritt. Aber es ging vorwärts. Bereits zum Ende des Schuljahres waren die ersten Fachräume und Differenzierungsräume fertiggestellt. Der „alte Schuppen“ diente nach der Kernsanierung als Mensa. Die Eröffnung der gymnasialen Oberstufe stand zum Schuljahr 2006/2007 bevor. Noch war der Erweiterungsbau nicht abgeschlossen, sodass ein Container für Unterrichtsräume zur Verfügung stand.

Der weitere Ausbau der Fachräume und Klassenräume auf dem Campus Erbenheim ging in den nächsten Jahren weiterhin zügig voran. Das neue Mensagebäudes und die Musikund Kunstfachräume wurden fertiggestellt.

Der Campus bietet heute Platz für insgesamt 400 Schülerinnen. Die Erweiterung des sprachlichen und musischen Angebotes in der Sekundarstufe I sowie das Kursangebot in der Sekundarstufe II konnten schließlich nach der Fertigstellung aller nötigen Räume erfolgen.

Platz für Musik, Kunst und viel Bewegung

So ging es Schritt für Schritt weiter: Aus der Keimzelle der Villa entstand so der Campus Erbenheim, auf den Schüler, Eltern und Lehrer zu Recht stolz sind: „Das Lernen im Grünen, eines unserer Prinzipien, ist hier in idealer Weise verwirklicht“, sagt Schulleiter Gerhard Obermayr.

Und seine Stellvertreterin Lore Brendel ergänzt: „Die jüngst neu errichteten Fachräume wie der Musikraum bieten uns viele Möglichkeiten zur Erweiterung des künstlerischen und musischen Angebotes!“

In der Tat: Der Platz für die Schüler ist kontinuierlich gewachsen. Der Umbau der ursprünglichen Asphaltfläche zu einer Ballspielfläche sowie der Aufbau eines Klettergerüstes und neuer Tischtennisplatten erfolgten zeitgleich. In einer kleinen Feierstunde im November 2011 konnte die neue Sporthalle symbolisch durch Schlüsselübergabe den Sportlehrkräften übergeben werden – ein wichtiger Schritt für den Aufbau des Sportangebotes im Nachmittagsbereich. Und einem verstärkten Sportunterricht steht seither auch nichts mehr im Weg.

Mit der Erweiterung des Schulhofes durch den Erwerb der angrenzenden Wiese sowie eines zusätzlichen Parkplatzes sind die Baumaßnahmen auf dem Campus abgeschlossen. 2013 erwarb die Obermayr Europa-Schule schließlich noch ein weiteres Grundstück, das direkten Zugang zum Schulhof hat. Wie das am besten für die Bedürfnisse der Schüler genutzt werden kann? Darüber diskutieren eifrig alle Beteiligten auf dem Campus. Eines aber dürfte jetzt schon klar sein: Das Ergebnis wird auf jeden Fall etwas mit dem „Lernen im Grünen“ zu tun haben!

Bildnachweis: Foto: Europa-Schule Dr. Obermayr e. V.