„Hilf mir, es selbst zu tun!“
Am Ende des ersten Halbjahres der Einführungsphase, direkt im Anschluss an die Weihnachtsferien, finden die Auslandspraktika der Schüler am Campus Erbenheim statt. Wie unsere Schüler diese Praktika suchen und finden, und was sie dabei erleben, erzählt Laura Mann: Sie ging mit 17 nach Nepal.
Es gibt ein wichtiges Prinzip in der Bildung der Obermayr Europa-Schulen. Es entstammt der Montessori Pädagogik: „Hilf mir, es selbst zu tun!“
Die Pädagogen des Campus Erbenheim fordern deshalb ihre Schüler gerne auf, sich selbst um einen Platz für ein Auslandspraktikum zu bemühen, und unterstützen sie dabei. Oft fragen Schüler bei Verwandten oder Bekannten nach, die in internationalen Firmen tätig sind. Manchmal suchen sie einfach im Internet nach einer Firma oder einer Organisation, die ihnen zusagt.
Ein Praktikum in Nepal? Ja: Nepal!
Ein besonderes Erlebnis war das Auslandspraktikum für die 18-Jährige Laura Mann, die im Januar 2013, damals gerade erst 17, für fünf Wochen in Nepal war.
„Als das Auslandspraktikum im ersten Halbjahr in der zehnten Klasse immer näher rückte, wurde mir klar, dass ich unbedingt ins Ausland möchte. Ich wollte auch gerne bei einer Hilfsorganisation arbeiten“, erzählt Laura. „Ein Problem war allerdings, dass ich erst 17 war. Na ja, und da habe ich einfach gegoogelt: Praktikum, Internationale Hilfsorganisation und 17 Jahre!“ Laura stieß sofort auf „Karmalaya“. Dies ist eine Hilfsorganisation, die eine Schweizerin zusammen mit einem Nepalesen für unterschiedliche soziale und ökologische Projekte gegründet hat.
Laura entscheidet sich für eine Stelle in einem Waisenhaus und Elefantencamp. „Es war alles sehr unkompliziert.“, erzählt Laura weiter. „Ich habe sie angeschrieben, und sie haben mich genommen!“ Laura hatte vorher keine große Vorstellung von Nepal. Nur eine Tante, die vor vielen Jahren mal dort gewesen war, hatte der Schülerin einmal Fotos gezeigt. Bevor Laura losfuhr, waren noch einige Bedenken zu überwinden: „Vor allem meine Tante und meine Mutter haben sich so viele Sorgen gemacht, dass ich ständig damit beschäftigt war, sie zu beruhigen!“, erzählt Laura. „Dadurch kam ich selbst gar nicht dazu mich aufzuregen!“ Der Schülerin wurde erst richtig bewusst, worauf sie sich eingelassen hatte, als sie am Flughafen plötzlich ganz alleine stand und darauf wartete, ins Flugzeug zu steigen. Später beim Umsteigen in Abu Dhabi hatte sie sechs Stunden Aufenthalt: „Da war mir mittlerweile doch ganz schön mulmig!“ gesteht Laura.
Ein Training in Katmandu
Aber als sie dann in Katmandu eintraf, ging alles glatt. Sie besuchte ein Vorbereitungscamp, bei dem sie etwas über die Sprache und die Kultur Nepals lernte. „Da waren auch noch andere Freiwillige Helfer, so dass man eigentlich immer jemanden zum Reden hatte“, beschreibt Laura die ersten Tage. „Als wir dann mit dem Bus rund 80 Kilometer in den Chitwan- Nationalpark gefahren sind, fing das Abenteuer richtig an!“ erzählt sie weiter. Die engen Straßen, rechts hohe Berge und links steil bergab – „das war schon etwas unheimlich in dem vollen Bus!
Im Camp selbst gefiel es der Schülerin aus dem Campus Erbenheim gut. Als „volunteers“ bewohnten sie zu dritt ein Zimmer im ersten Stock des Waisenhauses. „Jeden Morgen sind wir ganz früh aufgestanden und haben als erstes das Elefantengehege sauber gemacht und dann die Elefanten gefüttert. Mit Schubkarren und Schaufel waren wir unterwegs – eigentlich wie beim Ausmisten eines Pferdestalls, nur in etwas größerer Dimension.“
Nach dem Frühstück gingen die Helfer mit den Elefanten in den Naturschutzpark. Sie durften die „Mahouts“ begleiten und auch auf den Elefanten reiten. „Nachmittags, wenn wir eigentlich frei hatten, haben wir oft den Kindern im Waisenhaus bei den Hausaufgaben geholfen“, erzählt Laura. „Es hat mich sehr betroffen, dass dort Kinder abgegeben werden, wenn ihre Väter sterben und die Mütter wieder heiraten. Oft wollen die neuen Väter nichts mit ihnen zu tun haben, und dann werden sie einfach abgegeben! Wie furchtbar!“
Das Ziel: Ein Gehege für die Elefanten
In Lauras Camp war auch eine Amerikanerin, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, dass die Elefanten nicht mehr angekettet werden sollten. Deshalb begann sie, ein Gehege zu bauen, in dem die Tiere sich bewegen können. „Da haben wir dann auch mitgeholfen. Dadurch war unser Arbeitstag natürlich sehr lang und körperlich anstrengend“, erzählt Laura. Aber es ist zugleich eine sehr befriedigende Arbeit, da Laura dabei das Gefühl hat, die Situation der Tiere wirklich dauerhaft verbessern zu können, die vorher oft Wunden an den Beinen hatten und immer an einem Fleck stehen mussten.
Was hat Laura mitgenommen? „Für mich war wichtig, dass ich helfen wollte, dass ich Freude machen wollte, und das wäre in einer normalen Firma wohl so nicht möglich gewesen“, erklärt Laura. Weil der Aspekt, etwas Gutes zu tun, für sie so wichtig war, hatte sie sich ja für das Projekt in dem Waisenhaus und dem Elefanten-Camp südlich von Katmandu entschieden.
Die Landessprache in Nepal ist Nepali und nicht Englisch. Trotzdem haben die Helfer untereinander und auch mit den nepalesischen Mitarbeitern Englisch gesprochen. Laura hatte also eigentlich keinen Unterricht in Grammatik oder Wortschatz, aber: „Ich habe gelernt, mich freier auszudrücken. Ich war vorher immer eher schüchtern, wenn ich frei Englisch sprechen sollte, hatte Angst Fehler zu machen“, sagt sie. „Das ist seit dem Praktikum völlig verschwunden. Dort musste ich sprechen – und alle waren nicht perfekt in der Sprache. Deshalb ging es ganz leicht!“
Inzwischen traut sie sich das auch selber zu. Dadurch entwickelt sich ein Sprachgefühl wie von selbst – und Laura ist inzwischen auch in der Schule in Englisch richtig gut geworden.
Lernen fürs Leben
Noch etwas ist für Laura wichtig – wie für die meisten Ihrer Schulkameraden, die ein Praktikum im Ausland absolviert haben: „Für mich persönlich war es eine große Erfahrung, und ich glaube, dass es mich wirklich nachhaltig verändert hat“, sagt sie. „Ich weiß jetzt, was ich mir alles zutrauen kann. Und dass man als einzelner durchaus eine Menge bewirken kann. Dadurch bin ich auch selbstsicherer und stärker geworden. Und ich glaube dass diese Erfahrung mir noch sehr viel weiter helfen wird!“
Laura hat unter anderem gelernt, dass viele Dinge in unserem Land in anderen Teilen der Welt nicht selbstverständlich sind. Sie hat gesehen, mit wie wenig man auskommen kann. Und sie hat erfahren, wie wichtig der Zusammenhalt und die Herzenswärme der Menschen untereinander sind. Es war und ist für sie ein gutes Gefühl, wenigstens für die Elefanten, die sie betreut hat, wirklich etwas bewirkt zu haben.
„Ich habe einen anderen Blick auf Menschen und fremde Kulturen gewonnen“, sagt sie als Fazit. „Ohne den Impuls der Schule hätte ich diese Erfahrung niemals gemacht. Ich bin sehr froh über die Ermutigung durch meine Lehrer, mich auf die Suche nach einem Praktikumsplatz im Ausland zu machen – und auch über die Bestärkung, es dann auch wirklich zu machen!“
Bildnachweis: oben: pressmaster/shutterstock; unten: Europa-Schule Dr. Obermayr e. V.